1.6.2016 – 31.8.2016


Gestalten gestalten?!
Der Aussagekraft eines Fragzeichens ist ziemlich klar; jemand erheischt Information oder zweifelt an einer Feststellung. Aber wie ist das mit dem Ausrufezeichen? Es bestärkt eine Aussage, markiert eine Forderung, weist auf etwas Wichtiges hin. Und zeigt auf jeden Fall emotionale Beteiligung.
Und was hat das alles mit bildender Kunst und Karl Volonte zu tun? Ganz einfach: Volonte stellt mir seinen Skulpturen Fragen. Er macht keine Aussagen, er vermittelt keine direkten Botschaften, sondern er lädt wie ein guter Therapeut durch Fragen zum Assoziieren ein. Eine der Fragen könnte zum Beispiel lauten: wieso ist mir das so vertraut? Eine andere: wieso bewegt mich das so?
Volonte bringt uns in die spannungsgeladene Situation des Gestaltenden, der ein Werk schafft, ein Gefühl in Material umsetzt, eine Idee auf ihren Kern reduziert, alle überflüssigen Schnörksel weglässt. Damit kommt er schon in die Nähe einer Spiritualität, die seine Werke sowohl in einer Kirche als auch in einem Kreisverkehr oder vor einem Restaurant passend erscheinen ließen.
Volonte führt nicht, er begleitet. So wie in seinem ursprünglichen Beruf als Coach und Organisationberater , wo er Einzelpersonen und Gruppen dazu begleitet, das Ihnen Wesentliche zu erkennen und ihre Ressourcen zu bündeln, so ist er selbst Gestalt als Kristallisationspunkt eines Geschehens, das mit ihm nicht wirklich zu tun hat. Ein Katalysator, dem die Konzentration auf den materiellen Gestaltungsprozess sich aus den emotionalen Prozessen der anderen herauszuhalten. Nicht unberührt, aber selbst nicht formend. Und so ähnelt er seinen Werken, die auch vom Betrachter keine Veränderung verlangen, aber eine solche durchaus initiieren können.
Der 1965 geborene Autodidakt hat seine Meister in italienischen Steinbrüchen gefunden, hat dort im, am und mit dem Stein gelernt. Aber auch der Zugang zu Holz ist ihm gelungen, wo er ähnliche Ausdrucksformen wie am Stein findet, aber oft auch noch das Moment der Farbe dazu kommt.
Sowohl bei den steinernen als auch den hölzernen Werken tritt uns die Kunst mit der Frage des Entstehens, des Werdens, des Entwicklungsprozesses entgegen, aber nur dann, wenn man sich mit Emotion (was auch zumindest leichte Aufgeregtheit bedeutet) darauf einlässt.
Die gestaltende Gestalt des Künstlers, die gestaltete Gestalt des Kunstwerks – wer sich in diesem kreativen Spannungsfeld bewegen und womöglich auch noch auf- und einladen lassen möchte, ist bei der Vernissage am 1. 6. 2016 von 18 bis 21 Uhr im Kunstraum Dr. David in 1230, Maurer Lange Gasse 47 willkommen. Näheres unter www.kunstpraxis-david.at
(Dr. Harald David, Mai 2016)
Der Bildhauer Karl Volonte, geborgen in der Welt
Bildhauerei hat immer etwas mit Energie zu tun, und zwar in geballter Form. Der Wille unterstützt die Vision, die einer Arbeit zugrunde liegt. Wir sprechen hier von Tonnen, die bewegt werden, Tonnen, die sich einer genauen Vorstellung unterordnen müssen. Es gehört also eine ungeheure Willenskraft und geistige Intensität dazu, um sich dieser Aufgabe anzunehmen.
Karl Volontes Gedankenwelt und Vorstellungskraft ist vielgestaltig und von immer neuen Einflüssen beflügelt. Das Menschenbild ist als Thema immer präsent.
Das heißt, dass das gedankliche Konzept stimmen muss, es muss punktgenau sein, bevor es an das Material geht. Karl Volontes Vorgangsweise ist besonders, sie ist behutsam. Er lässt die endgültige Erscheinungsform seiner Vision offen, macht sie abhängig vom Hergang seiner Auseinandersetzung mit dem Material. Er lässt sich auf einen Dialog mit dem Stein ein, mit dem Entdecken seiner Beschaffenheit, dem Verlauf mineralischer Zusammensetzung und kristalliner Ausprägung. Es ist eine sehr intime Auseinandersetzung, die hier stattfindet, eine Annäherung an das Mögliche, ein Übereinkommen mit dem Stein, sich in seine Wesensart einzufügen, ihn Schlag um Schlag zu gestalten, zu erkunden was möglich ist, was aber dennoch der eigenen Vorstellung entspricht. So wird aus jeder Arbeit ein behutsames Zwiegespräch zwischen Künstler und Material. Dieser Vorgang könnte beispielhaft dafür stehen, wie Mensch und Natur gewaltlos aufeinandertreffen, nämlich mit gegenseitigem Respekt voreinander, um schließlich von beiden Seiten her ein optimales Ergebnis zu erzielen, ein Gedanke, der mir bei der Auseinandersetzung mit seiner künstlerischen Vorgangsweise gekommen ist.
Karl Volonte ist ein später Berufener. Seiner Lebenslaufbahn als Berater von Organisationen, Teams und Menschen ist er viele Jahre gefolgt und tut dies heute noch. Aber irgendeinmal auf diesem Weg hat er die Bildhauerei, und damit hauptsächlich den Stein als sein Medium entdeckt.
Die Entwicklung des später Berufenen ist ein intensiver Prozess, sie ist wie ein Herantasten an die Wirklichkeit, an das, was wirklich betrifft, an eine Lebensnotwendigkeit, die den Grund der Existentialität ausmacht. Sie ist Quelle der Leidenschaft zu erschaffen und zu gestalten, dem Gedanken Form und Ausdruck zu verleihen. Dinge, die lange Zeitabschnitte im Inneren verborgen geblieben sind, an die Oberfläche zu holen, sie endlich dem „Sauerstoff des freien Gedankenflusses“ auszusetzen.
Um es mit einem Gedanken des deutschen Philosophen Peter Lauster auszudrücken: „Der sensitive Mensch sieht die Wirklichkeit im Vergleich zum Verstandesmenschen, um einmal grob zu vereinfachen, in verletzlicher Unbefangenheit, er erfaßt jeden Moment neu, und die Wirklichkeit offenbart sich ihm in unerschöpflicher Frische, er langweilt sich nicht.“
Ein prägendes Erlebnis war für Karl Volonte der Aufenthalt in Pietrasanta, einem Ort südlich von Carrara, dessen Bedeutung in der Bearbeitung von Marmor liegt. Die weißen Kuben der Marmorkalke in unmittelbarer Nähe, wo bereits Michelangelo sein Material bezogen hat, an diesem besonderen Ort also hat er seine künstlerische Laufbahn begonnen. Hier hat er die Techniken der Bildhauerei erlernt, ebenso wie später in Berlin.
In seiner Besessenheit und völligen Hinwendung zur Bildhauerei hat Karl Volonte eine Vielfalt an Ausdrucksmöglichkeit gewonnen, die in der Wahl des Materials liegt, in der Sensitivität die Idee in die Realität zu übersetzen und in der Offenheit im Hinblick auf den gestalterischen Ausdruck.
Ein Mensch, der Karl Volonte später künstlerisch sicher stark beeinflusst hat, ist der aus dem Grödnertal stammende Bildhauer Anvidalfarei, ein international geschätzter und gefragter Künstler. Er ist dort auf das einfache, auf das aufs Notwendige reduzierte Leben gestoßen, auf die Plastiken Anvidalfareis, und in den Gesprächen und im alltäglichen Leben auf dem Hof, hat sich der an Genauigkeit gewohnte Blick des Beraters mit dem genauen Blick des Künstlers verbunden. Er hat die besondere Energie des Ortes gespürt. Das Grödnertal, die Heimstätte bekannter Holzschnitzerfamilien – das gestalterische Material ist nicht nur beim Holz geblieben – hat so etwas wie eine bildhauerische Tradition, und diese Begegnung übt einen nachhaltigen Eindruck auf Volonte aus. Man kann also durchaus von einem Netzwerk gedanklichem Ausdrucks im bildhauerischen Gestalten sprechen. Solche Orte und darauf ausgerichtete Bezugspunkte existieren, und die damit heimatliche Verbundenheit eines Gedankenstroms. Das Manifestwerden ähnlicher Werke in ihrer jeweils individuellen Ausprägung möchte ich mit den Himmelssternbildern vergleichen, die sich uns nächtlich darstellen, und die für den Betrachtenden verwandte Assoziationen und Gedankeninhalte hervorrufen.
Die Arbeit seeing the (w)hole?! 1 präsentiert sich als Spirale, eine Arbeit aus Holz, der eine doppelte Bedeutung zugrunde liegt. Sie stellt sich in ihrer Außenhülle in kräftigem, lebensbejahendem Rot dar, während die Innenseite dunkel gehalten ist. Da aber eine Spirale das Innen und Außen transparent verbindet, sind somit beide Aspekte offenkundig.
In der Arbeit Körpertypen hat Volonte seine Arbeit als Berater mit der des Bildhauers trefflich verbunden. Es sind Plastiken aus weißem Marmor, in deren glatt polierter Oberfläche der kristalline Stein besonders zum Ausdruck kommt. Ihnen liegt die Forschungserkenntnis Wilhelm Reichs zugrunde und sie stellen damit eine Parallele zu seinem Beruf dar, den Menschen in seiner Ganzheit und Wesensart zu erfassen. Eine höchst spannende Arbeit also.
In seinen beiden Plastiken Spinozas Engel, lässt er philosophische Erkenntnisse und Tugenden in der Gestalt von Engeln, von Lichtboten also, auftreten.
Der Figur- Epistéme – als Begriff der Erkenntnistheorie, legt der den Gedanken, dass der Mensch als Erkennender Freiheit erlangt, zugrunde.
In Monas greift Volonte die Schlussfolgerung Spinozas auf, dass die ideale Gesetzmäßigkeit der Ideenwelt und der mechanischen Körperwelt – also zwischen Geist und Körper keine Gegensätze bestünden, sie also vielmehr eine Einheit bildeten.
Im Garten stehen wir einem hängenden Torso aus Bronze gegenüber, sehr klar und stark in seinem formalen Ausdruck. Durch die Hängung erzielt er eine völlig andere Wirkung als der aufrechte Torso aus Travertin, dem wir an anderer Stelle begegnen. Der rötliche, warme Ton des Steins, die asthenisch überhöhte Körperdarstellung, bestimmen den Charakter dieser Arbeit.
Das Konzept für die Bronze ent-wickelt ist auf ganz andere Weise entstanden. Bei genauerer Betrachtung entdeckt man Elemente der Körpertypen. Der Vorgang des Zerlegens weist auf den einer inneren Umwandlung hin und hat somit einen expliziten psychologischen Ansatz. Aus den Versatzstücken dieser aus der Form gelösten Teile ist eine Plastik entstanden, die ein Neues, Ganzes, repräsentiert. Sie weist darauf hin, dass der Entschluss, lang eingespurte Wege zu verlassen und aus den Erfahrungen eine neue Form zu finden, zu einer positiven Lösung führt. Die Arbeit ist im Rahmen eines Großgruppen-Workshop mit 80 Mitarbeitern einer Organisation entstanden. Ziel des Workshops war es, den Übergang hin zu einer neuen Organisiertheit und in ein neues Bürogebäude bewusst zu unterstützen. Die Teilnehmer haben dabei als Ritual die alten charakterlichen Gebundenheiten der „Körpertypen“ zerschlagen und Volonte hat diese Versatzstücke zu eben jener Skulptur „ent-wickelt“ neu zusammen gefügt. Sie ist wohl ein Symbol dafür, dass aus etwas, das an Bedeutung und Geltung für das eigene Selbst verloren hat, wieder Sinnhaftes entstehen kann.
Eine andere Arbeit aus Travertin trägt den Titel Rückzug. Die ganz auf sich selbst konzentrierte Gestalt liegt in beinahe embryonaler Haltung. Fast spürt man ihre Isolation, aber auch eine innere Ruhe. Teile des Körpers sind nicht ausgearbeitet und dem Stein selbst überlassen, das vermittelt den Eindruck von Ursprünglichkeit und Autonomie. Besonders beeindruckend ist die Beschaffenheit des Steins, und wie sensibel Volonte sie in seine Arbeit integriert.
Seeing the whole 2 ist sozusagen die kleinere Schwester der Plastik, die uns im ersten Raum begegnet ist. Diese wirkt durch die Präsentation fast schwebend, aufwärts gerichtet, scheint sie sich den Raum nach oben zu öffnen.
Der Körpertyp R, dessen Zuschreibung – hält stand – verrät Liebe – leistet – kraftvoll – funktioniert zielorientiert – gefällt in Disziplin präsentiert sich noch einmal in Bronze. In dieser Plastik mit ihrer leicht patinierten Oberfläche wird Geradlinigkeit und eine gewisse Aufrechthaltung offenbar. Durch die leichte Verschiebung der Achse wirkt diese Figur nicht so streng, scheint sich selbst zu genügen.
Eine völlig andere Behandlung des Materials – diesmal wieder Holz – erfahren die beiden Figuren mit dem Titel paar stehend. Es ist dies eine Holzarbeit von kraftvoller Erscheinung, die durch die Darstellung der Zueinanderbezogenheit beider Gestalten in den Signalfarben Rot-Grün eine starke Aussagekraft hat, und persönliche Deutung offen lässt. Die formale Lösung scheint sich an kubistische Denkansätze anzulehnen.
Ganz anders präsentiert sich der liegende Torso Adam, eine Sandsteinarbeit. Der Korpus hat fließende, abgerundete Linien, der eine gewisse Verletzlichkeit andeutet. Besonders schön tritt hier die Beschaffenheit des Sandsteins in seiner Porosität zutage. Ihm zur Seite ist Eva, stehend.
Eine starke Aussagekraft vermittelt die Marmorskulptur Scham. Die Geste der kauernden Frauenfigurkönnte sowohl Abwehr als auch Verzweiflung andeuten. In ihrer Haltung, die Hilflosigkeit vermittelt, berührt sie den Betrachter.
Die beiden Wächter beschließen sozusagen diese Präsentation. Sie sind stumme Boten aus archaischer Zeit, Beobachter und Wahrer eines Systems. Sie sind auch die Wahrer dieser Ausstellung, zwei Figuren herübergetragen aus einer alten Kultur, Bindeglied zwischen den Zeiten.
Sie mögen uns allen ein Symbol sein für Kontinuität und Vertrauen, für das Aufgehobensein in einem Weltensystem, an dem wir Anteil haben.
Ich wünsche Ihnen allen ein Berührtsein von den Arbeiten Karl Volontes und deren Aussagekraft.
(Heide Breuer, Mai 2016)